TRANSPORT EINES INTENSIV-PATIENTEN IN DER LINIENMASCHINE                                                Interview mit Dr. med. Joachim Friese

 

Im Sommer 2019 durfte Medicall einen Intensiv-Patienten im Patient Transport Compartment (PTC) der Lufthansa von Bangkok nach Frankfurt zurückführen. Dadurch konnte Medicall den Intensivtransport von Anfang bis Ende mit den eigenen Fachkräften begleiten. Dr. med. Joachim Friese, ärztlicher Leiter der Medicall, gibt im Interview einen Einblick in diese kundenfreundliche und kosteneffiziente Transportart.

 

Dr. med. Joachim Friese, ärztlicher Leiter der Medicall.
Dr. med. Joachim Friese, ärztlicher Leiter der Medicall.

Joachim, du durftest kürzlich einen Patienten in einem PTC (Patient Transport Compartment) von Bangkok nach Frankfurt begleiten. Was ist ein PTC?

Das PTC ist ein Angebot der Lufthansa. Dabei handelt es sich um ein, durch Lufthansa Technik, schnell zu installierendes Compartment für den Transport von intensiv-medizinisch behandlungspflichtigen Patienten in einem Linienflugzeug auf den Langstrecken der Airline. Im Flugzeug werden mehrere Sitzreihen ausgebaut und durch ein modular aufgebautes, abgeschlossenes Compartment ersetzt. Dieser zum Rest der Kabine abgeschlossene Raum ermöglicht die Behandlung und das Monitoring eines Patienten, analog zu einer Intensivstation in einem Hospital. Während des PTC Transport kann man sehr gut auf Veränderungen (Verbesserungen und Verschlechterungen) des Patientenzustands reagieren und bei beschränktem aber völlig ausreichendem Platzangebot Tätigkeiten am Patienten durchführen.

  

Wie erlebt der Patient so eine Reise im PTC?

Für den Patienten ist es grundsätzlich komfortabel; wobei überwiegend oder meistens Patienten transportiert werden, die bei ihrem Bewusstsein eingeschränkt sind. Angenehm ist es, dass die Lufthansa für einen mitreisenden Angehörigen einen Sitzplatz in der Nähe des Compartments zur Verfügung stellt.

 

 

Das PTC: Eine kleine Intensivstation im Linienflugzeug (Quelle: Lufthansa).
Das PTC: Eine kleine Intensivstation im Linienflugzeug (Quelle: Lufthansa).

Weshalb hat man sich für diesen Fall für den Einsatz eines PTC entschieden? Hätte man nicht einfach einen Ambulanzjet senden können?

Bei einem Patienten in Bangkok, der einen dynamisch sich verschlechternden Zustand aufweist, benötigten wir einen Transportmodus mit entsprechendem Platzangebot für Behandlungen am Patienten. In diesem Fall kamen eigentlich nur der Ambulanzjet oder das PTC infrage. Wir haben uns für das PTC entschieden, weil wir dadurch ein für den Patienten einfacheres Routing ohne Zwischenlandungen sicherstellen konnten. Das heisst weniger Flugzeit. Vorteilhaft war auch, dass Medicall über den gesamten Transport den Patienten direkt aus einer Hand betreuen konnte. Zudem bot das PTC ein gutes Preis-Leistungsverhältnis an. Nicht zuletzt, sprechen aber auch ökologische Faktoren dafür, einen PTC-Transport zu indizieren.

 

Für welche Fälle macht das PTC generell Sinn?

Für alle Patienten, welche liegend transportiert werden müssen und eine intensive ärztliche Betreuung benötigen. Ausser den logistischen Einschränkungen, flugphysiologischen Kontraindikationen – bei denen ein Patient sowieso nicht geflogen werden darf – und bei Infektionskrankheiten (wegen der Ansteckungsgefahr), ist ein PTC Transport in Betracht zu ziehen.

Eingesetzt werden kann das PTC für alle Destinationen, die von der Lufthansa Langstreckenflotte von und nach Frankfurt angeflogen werden.

Für schwer erkrankte Patienten in Nähe dieser grossen, internationalen Flughäfen im Streckennetz der Lufthansa muss der PTC Transport, nicht zuletzt wegen der Einsparung von Tank- oder Zwischenstopps in Betracht gezogen werden.

 

Du hast erwähnt, dass es ein Angebot der Lufthansa ist. Gibt es das auch in der Schweiz?

Nein. Der Hub für den Ein- und Ausbau des PTC der Lufthansa ist Frankfurt, so dass für unsere Schweizer Kunden ein Anschlusstransport per Ambulanzflug oder am Boden in die Schweiz erforderlich wird. Aus diesem Grund wird dieser Transportmodus nur in speziellen Fällen eingesetzt. Für uns wäre es natürlich wünschenswert, wenn die Swiss auf ihren Langstrecken-Flügen ab Zürich auch ein solches Angebot hätte. 

 

Wie schätzt du die Zukunft von PTC ein? Glaubst du, dass das PTC Ambulanzjets einmal gänzlich ersetzen wird?

Durch die Aufrüstung auf die neuen Maschinentypen der Lufthansa, wird der PTC die wichtigste Transportalternative zum Ambulanzflug sein. Durch die weltweit steigenden Behandlungskosten wird die Wichtigkeit von Patiententransporten im intensivmedizinischen Behandlungsfenster weiter zunehmen. Das heisst, dass tendenziell vermehrt geprüft werden wird, einen Patienten in sein Heimatland zu transportieren, um die Behandlungskosten zu kontrollieren und die Behandlung im gewohnten sozialen Umfeld zu ermöglichen.

Zum jetzigen Zeitpunkt stellt der Transport mittels PTC keinen vollständigen Ersatz für den Transport in Ambulanzjets dar. Hier ist die hohe Flexibilität eines Ambulanzjets hinsichtlich schneller Responsezeiten, die Möglichkeit zur Anpassung der Flightlevel (Flughöhen des Jets) und die Nutzung kleinerer, auch militärischer Flughäfen ein massgeblicher Vorteil. Beim PTC betragen die Organisations- und Vorlaufzeiten 72h, so dass für eine „schnell“ erforderliche Reaktion der Ambulanzjet zum Einsatz kommt.

 

Wie entscheidet Medicall, wer mit welchem Transportmittel zurückgeholt wird?

Ausschlaggebend sind die medizinischen Erfordernisse des Patienten und der Anspruch, möglichst das kostengünstigste und auch ökologisch sinnvollste Transportmittel einzusetzen. Dabei ist auch der Komfort für den Patienten enorm wichtig. Man versucht also möglichst einfache Routings zu nutzen, um auf jeden Fall den komplikationslosen Transport sicherzustellen. Je häufiger ein Transportmittel gewechselt werden muss, umso grösser wird die Gefahr von unerwünschten Ereignissen und Komplikationen.

Entscheidend für den erfolgreichen Transport eines Patienten ist aber immer auch der Einsatz adäquat ausgebildeter Fachärzte für die Betreuung. Neben der hohen fachlichen medizinischen und sozialen Kompetenz sind detaillierte Kenntnisse der Flugphysiologie, standardisiertes Arbeiten, aber auch Fähigkeit zur Improvisation unabdingbare Voraussetzung.

Durch unsere EURAMI-Zertifizierung für den Bereich „Commercial Flight“ und die Durchführung von medizinisch begleiteten Linienrepatriierungen, kann Medicall hier den erforderlichen Standard nachweisen.

 

 

Lieber Joachim, danke für deine Ausführungen!